Suchergebnisse für 'cancel culture' (1)
Die Zensur findet in Deutschland nicht statt. Aber ist das wirklich so? Viele spüren, dass in Deutschland es mit der Meinungsfreiheit nicht weit her ist. Wer etwas „Falsches“ sagt oder schreibt, kann die Zensur zu spüren bekommen, die es zwar nicht offiziell gibt, aber doch vorhanden ist. Für diese moderne Art der der Zensur wurde der Begriff der „Cancel Culture“ geprägt. Was steckt dahinter?
· Political Correctness – die Schwester: Bevor auf die Cancel Culture als eine Art moderner Zensur eingegangen wird, soll zunächst einmal auf die Schwester, der Political Correctness (PC) hingewiesen werden, die eine ähnliche Funktion hat, nämlich Sprach- und Schreibverbote und damit auch möglichst Denkverbote zu erlassen. Diese tauchte – wie der Ausdruck es schon andeutet - in den USA auf. In den 80iger Jahren wurde er populär, weil damals sich Studenten (pardon: Studierende) darüber mokierten, dass sie für das Studium der westlichen Kultur nur „Werke, toter weißer Männer“ (dead white Euroean males) heranziehen sollten. Sie verlangten eine Ausweitung auf weibliche und außereuropäische Autoren [1] . Schnell hatte der Begriff die Universität verlassen und wurde zunehmend im politischen und gesellschaftlichen Kontext angewandt, um zu beschreiben, dass bestimmte Personengruppen nach Auffassung der PC diskriminiert werden. Es wurde angemahnt, sich politisch korrekt so auszudrücken, dass eine Diskriminierung nicht stattfand. Ist es z. B. dann noch korrekt von einem „Zigeunerschnitzel“ zu reden oder von einem Mohrenkopf oder Negerkuss? Nein, daraus wird dann ein Schnitzel Balkan Art oder ein Schokokuss [2] . Darf man dann noch von Behinderten sprechen? Oder darf man Menschen, die in den nördlichen Regionen unserer Erdhalbkugel leben, dann noch als Eskimo bezeichnen? Und darf man da noch Neger sagen? [3] Nein, natürlich nicht; korrekt wären dann: Menschen mit Behinderungen, Inuit oder Mensch mit dunkler Hautfarbe zu sprechen und zu schreiben. Letztendlich ist die „Genderisierung“ der Sprache, also das Herausnehmen des grammatikalischen Maskulinums aus dem Text und Umwandlung in eine geschlechtsneutrale Beschreibung Ausfluss dieser PC.
· Cancel Culture (CC) – die logische Fortsetzung: Mit der CC wird nun eine Fortsetzung der PC vorgenommen, in dem man diejenigen „cancelt“, die diskriminieren – immer jeweils aus der Sicht derjenigen, die sich als moralisch überlegen ansehen. Die schon in einem anderen Zusammenhang beschriebenen „Gutmenschen“, die sich selbst auf einen moralischen Hochsitz begeben, und dabei andere moralisch bewerten, haben eine hohe Affinität zur CC [4] , denn sie glauben zu wissen, wie man sich vom ethischen Standpunkt aus gesehen z. B. in Fragen des Umgangs etwa mit so genannten Flüchtlingen äußern sollte. Diese moralisierende Herangehensweise ist auch für die CC kennzeichnend. Es geht nicht primär um die argumentative Auseinandersetzung mit brisanten Themen, sondern die von vornherein in moralischen Kategorien gepferchte Beurteilung einer Sache. Wobei die Rollenverteilung von vornherein klar definiert wird: Wir – die auf CC oder PC achtende Menschen – sind die Guten, die anderen die Bösen. So einfach ist das (selbstverständlich wird das noch etwas in vielen Worthülsen versteckt, so dass es nicht sofort auffällt). Hierbei wird aber im Unterschied zur PC bei der CC auch ein Ausschluss vorgenommen („gecancelt“) und derjenige nicht nur isoliert als jemand, der sich moralisch inkorrekt verhalten hat, sondern tatsächlich darauf gedrungen, dass diese Person ausgeladen wird oder verschwindet. Gerade im Kulturbetrieb wirkt sich das CC so aus, dass Künstler ausgeladen werden, die der PC nicht entsprechen. Als Beispiel könnte das Ausladen des Malers Axel Krause dienen, weil dieser sich kritisch zur Migration geäußert und die AfD als ein „begrüßenswertes Korrektiv zum maroden Politikbetrieb“ bezeichnet hatte, so dass die im Jahr 2019 fast schon abgesagte Leipziger Kunstausstellung, doch stattfinden konnte. [5]
· Instrumentalisierung: CC wird zu einem Kampfmittel gegen Andersdenke im Sinne einer „Säuberung“ – ein Begriff, der von denen, die CC betreiben, sicher nicht angewandt wird, denn er wurde auch in der Nazizeit verwendet, um etwa Juden auszuschließen [6] – der aber genauso funktioniert. Durch die CC wird verhindert, dass z. B. bestimmte Bücher nicht in Buchläden erscheinen, dass bestimmte Filme nicht gezeigt werden, dass bestimmte Personen nicht zu Diskussionen eingeladen werden oder dass bestimmte Denkmäler verschwinden (wenn sie damit z. B. Personen aus dem Dritten Reich angeblich „verherrlichen“) [7] . Die Ächtung – das Internet mit den sozialen Netzwerken wie etwa Twitter bietet da eine fast schon anonyme Möglichkeit dazu – wirkt dabei wie eine „öffentliche Verurteilung“, der dann die öffentliche Brandmarkung bis hin zur Aussonderung aus der Gemeinschaft folgt. So gesehen wird CC zu einem Instrument der Diskriminierung – nur im umgekehrten Sinne: Derjenige, der sich angeblich diskriminierend verhalten haben soll, wird nunmehr ebenfalls diskriminiert, ausgegrenzt und als nicht tragbar bezeichnet. Sie wird zur Persona non grata [8] erklärt, die nicht erwünscht ist. Gefährlich wird es auch für diejenigen, die sich mit den Geächteten solidarisieren. Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart war 2019 eingeladen worden vom Harbour Front Literaturfestival, um aus einem von ihr geschriebenen Roman vorzulesen. Daraus wurde aber nichts, weil der „Nochtspeicher“ in Hamburg, wo diese Lesung stattfinden sollte, angeblich Drohungen aus der Nachbarschaft erhalten hatte. Vorausgegangen war im Jahr 2018 ein Auftritt in der vom WDR produzierten Kabarettsendung „Mitternachtspitzen“, in der sie angeblich über Juden und antisemitische Klischees gesprochen hätte. Ihr wurde damit Antisemitismus unterstellt [9] .
· Von der Diskriminierung zur „Schere im Kopf“: CC und PC führen zu einer Einengung des Meinungskorridors, zu einer Begrenzung von Meinungsfreiheit und zu einer „Gleichschaltung“ derjenigen, die sich nicht den Meinungsmachern anpassen wollen. Die schweigende Mehrheit ist es eigentlich, die zu feige ist, weil sie Angst um ihre Pöstchen, um öffentliche Reputation hat. Die „Bedanken sind frei“ heißt es in einem schönen Volkslied. Aber diese Freiheit der Gedanken geht verloren, wenn die Diskriminierung zu einer Schere im Kopf mutiert, zu einer „Selbstzensur“ nur aus Angst, ausgegrenzt zu werden. Die alten archaischen Programme der Selbsterhaltung wirken immer noch und führen uns zur Anpassung bis dahin, dass wir nicht nur reden und handeln wie die PC und CC das wollen, sondern auch irgendwann auch so denken, dass also wir die Fähigkeit verlieren, uns unsere eigenen Gedanken zu machen. Es besteht die Gefahr, dass nur noch Meinung kritiklos übernommen und dann als eigene erkannt wird ohne zu merken, dass man damit sich nur einseitig angepasst hat.
Mut und Selbstbewusstsein sind die Waffen gegen die PC und CC und gegen scheinheiliges modernes Pharisäertum, das schon zu Jesus Zeiten modern war. So gesehen hat sich nicht viel in 2000 Jahren geändert, nur die Medien sind andere geworden, die genutzt werden können. Früher schrien die Menschen „kreuziget ihn“ – heute schreiben sie „Nazi raus“ und drohen mit der sozialen Ächtung derjenigen, die sich nicht beugen wollen.
© beim Verfasser
[2] https://www.br.de/mediathek/video/respekt-demokratie-einfach-erklaert-politisch-korrekt-vom-zigeunerschnitzel-zum-schnitzel-balkan-art-av:5d138d5336f99a001a677766
[3] https://www.br.de/mediathek/video/erklaervideo-was-ist-political-correctness-av:5d4309e3ce2c600019c6f44d